Zum Joseph-Roman von Jan Dobraczyński

Der Roman mit dem Titel „…nimm das Kind und seine Mutter“ von Jan Dobraczyński teilt das Schicksal seines Titelhelden: Wie Joseph, der Pflegevater Jesu, wartet auch er darauf entdeckt zu werden. Und wenn der Heilige Joseph nach der Muttergottes der wirkmächtigste Heilige bei Gott ist und wir ihn doch so wenig kennen, so kann man über das Buch sagen: Dieser Joseph-Roman ist ein heimlicher Klassiker der katholischen Erbauungsliteratur.

Der Roman gliedert sich entsprechend dem Titel in zwei Teile. Der erste Teil handelt von der „Frau“ (von Josephs Begegnung mit Maria bis zur Darstellung Jesu), der zweite vom „Sohn“ (bis zum Tempelgang des Zwölfjährigen Jesus). Dobraczyński erzählt die Geschichte des Hl. Joseph größtenteils aus dessen Sicht und hält sich im Gesamten an die biblische Vorlage. Alles aber was dort nicht erzählt wird, schmückt der Autor mit einer fast schon an Mystik grenzenden Liebe aus. Er ist zugleich Meister des historischen Romans und lässt den Leser nebenbei in die biblische Zeitgeschichte eintauchen (etwa bei der Beschreibung von Herodes’ Hof oder der römischen Besatzung).

Anrührend ist geschildert, wie Joseph Miriam (Maria) zum ersten Mal begegnet – sie ist ein stets fröhliches Mädchen mit einer für ihn unergründlichen Tiefe. Auch in Jesus wird er genau diese Eigenschaften wiedererkennen. Auch später wird Maria ihm in allem zur Hand sein und ihn aus seinen Zweifeln stets ins Vertrauen zu Gott zurückführen. Hier bei der ersten Begegnung am Brunnen von Nazareth tränkt sie ihm den Esel, den sie sofort in ihr Herz schließt – wie sie jedes Wesen liebt, weil Gott es geschaffen hat.

Joseph kämpft immer wieder mit dem Geheimnis, das er in den Augen Marias erkennen kann. Er ahnt, dass er niemals in die Fülle dieses Geheimnisses eindringen wird. Er spürt aber, dass es mit ihrer innigen Nähe zu Gott zu tun hat, und schließlich darf auch er in gewissem Sinne am Mysterium der Menschwerdung des Allmächtigen teilhaben.

Er lernt auch immer mehr verstehen, dass er als Mann Mariens dem göttlichen Plan dienen, dass er sie und den Messias schützen darf – und dass er nicht zu schlecht dafür ist, sondern Gott ihm vertraut, ja ihn sozusagen machen lässt und eingreift, wenn es Not tut. Dabei hat die Familie viele Schwierigkeiten zu überwinden – Armut, Hass durch die eigene davidische Familie, Überfälle, Zukunftssorgen, Verfolgung durch Herodes, Hunger, Überquerung reißender Flüsse. Alles wird konkret in diesem Roman und die liebevollen Ausschmückungen täuschen nicht über die vielen Probleme hinweg. Mancher Leser wird eigene Sorgen darin gespiegelt sehen.

Aber bei allem psychologischen Verständnis für die Figur des Joseph verliert der Autor den Kontext und das Ziel der Protagonisten nie aus den Augen: die Erlösung der Menschheit. Die heilige Familie ordnet sich ganz diesem Ziel unter. Die Eltern beginnen zu ahnen, dass dies nur auf dem Weg des Leidens gehen wird, und als sie Jesus im Tempel wiederfinden, merkt Joseph schließlich, dass er seine Aufgabe erfüllt hat und er nun für den kleinen Großen weichen darf.

Wer dem Geheimnis der Heiligen Familie und besonders des Heiligen Joseph näher kommen möchte, dem sei „…nimm das Kind und seine Mutter“ ans Herz gelegt.

Das polnische Original „Cień Ojca“ erschien 1977 und liegt seit 1978 in deutscher Übersetzung bei Herder vor (antiquarisch erhältlich). Bei Radio Horeb lässt sich die ganze Geschichte auch als Hörbuch nachhören.


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